Richtiges Anweiden im Frühjahr - worauf geachtet werden muss

Von Reitsport

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Im Frühjahr freut sich jeder Pferdebesitzer und jede Pferdebesitzerin, denn die Pferde dürfen endlich wieder auf die Weide. Allerdings sind einige Dinge zu beachten, um die Gesundheit des Pferdes bestmöglich zu schützen.


Warum muss das Pferd angeweidet werden?


Im Winter besteht der pferdegerechte Futterplan zum grössten Teil aus Heu vom ersten Schnitt. Dieses besteht zu einem Zehntel aus Eiweiss und zu einem Viertel aus Rohfaser. Der Kohlenhydrat-Anteil (Zucker, Stärke, Fruktan) liegt ungefähr zwischen 10 und 20 Prozent. Darauf stellen sich die Darmbakterien ein und der Dickdarm des Pferdes kommt in ein Gleichgewicht an Mikroorganismen. Junges Weidegras hat nicht viel mit dem gewohnten Futterheu zu tun. Die Artenzusammensetzung stimmt zwar überein, allerdings ist der Gehalt an Eiweiss und Kohlenhydraten im Gras deutlich höher als im Heu, der Anteil an Rohfaser sinkt allerdings erheblich. Aufgrund der Nährstoffzusammensetzung stellt das junge Gras im Frühjahr kein optimale Möglichkeit dar, als alleiniges Futter eine ausreichende Grundversorgung zu gewährleisten, weshalb auch während des Anweidens weiterhin Heu gefüttert werden muss. Wenn das Futter des Pferdes zu schnell und stark umgestellt wird, gerät die Darmflora aus ihrer Balance. Dieses Ungleichgewicht kann gesundheitliche Schäden nach sich ziehen.


Wie wird richtig angeweidet?


Schon vor dem Anweiden sollte das Pferd entwurmt werden, um eine zu starke Belastung des Entgiftungs- und Verdauungsstoffwechsels zu vermeiden. Ausserdem muss unbedingt die Vorgeschichte des jeweiligen Tieres beachtet werden. Ein gesundes Pferd verträgt die Futterumstellung unter Umständen viel besser als ein Pferd, welches an Hufrehe oder einer Stoffwechselstörung leidet.


Grundsätzlich sollte das Gras schon eine Länge von 20 bis 25 Zentimetern haben, denn vor allem im Frühjahr weist sehr kurzes Gras oftmals noch einen hohen Fruktangehalt auf. Dafür sind im Wesentlichen die noch niedrigen Temperaturen in Kombination mit viel Sonnenschein ausschlaggebend. Das Gras speichert die Energie dann im Halm, wächst aber nicht. Außerdem besteht ein erhöhtes Risiko für Sandkoliken, da die Pferde beim Knabbern am kurzen Gras vermehrt Erde und Sand aufnehmen. Beides ist sowohl für gesunde als auch für vorerkrankte Pferde problematisch.


Der perfekte Zeitpunkt, um mit dem Anweiden zu beginnen, ist nicht genau bestimmt. Neben dem Wetter ist auch die Bodenbeschaffenheit ein ausschlaggebender Faktor. Durch Regen stark aufgeweichter Boden birgt nicht nur ein erhöhtes Verletzungsrisiko für das Pferd, sondern nimmt auch selbst schneller Schaden, da an den ersten Tagen auf der Weide noch viel Bewegung herrscht.


Die Dauer des Anweidens variiert und sollte unbedingt an jedes Pferd und dessen Bedürfnisse individuell angepasst werden. Um die Fehlvermehrung von Bakterien zu vermeiden und den Körper an die Verwertung der veränderten Wasser-, Energie und Eiweissgehälter zu gewöhnen, sollte die Weidezeit langsam und schrittweise gesteigert werden.

Wichtig ist, dass auf den Weideflächen immer ausreichend Wasser zur Verfügung steht.


Ausserdem sollte vor jeder Anweidephase eine angemessene Portion Heu gefüttert werden, um „Heisshunger“ auf das junge Gras zu vermeiden. Viele Pferde nutzen an den ersten Weidetagen häufiger Salzlecksteine , die unbedingt in der Box oder den Offen- und Aktivställen zur Verfügung stehen müssen. Das liegt daran, dass die stark zuckerhaltigen Gräser im Frühjahr sehr nährstoffarm sind, vor allem fehlen Spurenelemente und Mineralien. Zusätzlich sind Stärke, Zucker und Eiweiss sogenannte Nährstoffantagonisten, das heisst, sie reduzieren die Nährstoffresorption im Verdauungstrakt. Um dem entgegenzuwirken, ist es sinnvoll, Mineralfutter zuzufüttern. Rohfaserprodukte, dazu gehören natürlich Heu und Heuersatzprodukte, wie zum Beispiel Heu- oder Wiesencobs , stabilisieren die Darmflora. Das Futter, welches das Pferd sonst noch bekommt, sollte auch kontrolliert werden, eventuell ist es sinnvoll die Kraftfutterportion für ein paar Tage zu reduzieren.


Anweide-Plan


Generell ist es sinnvoll, das Anweiden im Voraus zu planen, um den Überblick zu behalten. Hier sei erwähnt, dass dieser Plan an jedes Pferd individuell angepasst werden muss. Auch tageweise Unterbrechungen des Anweidens sollten berücksichtigt werden. Häufig wird den Pferdebesitzern nur ein Datum für den Beginn der Weidesaison genannt und jeder muss sich selbstständig um das Anweiden des eigenen Pferdes kümmern.


Die ersten 30 Minuten Weidezeit sollte man sich innerhalb von etwa sieben Tagen erarbeiten. Man beginnt am ersten Tag also mit etwa fünf Minuten und steigert die Zeit dann täglich um weitere fünf Minuten. Sollten beim Pferd Verdauungsprobleme, wie Blähungen oder Durchfall auftreten, kehrt man wieder zu der Zeitspanne zurück, bei der die Verdauung noch problemlos funktionierte. Wurde die erste halbe Stunde erreicht, kann man dazu übergehen, die Weidezeit jeden Tag um 10 Minuten zu steigern. In der Regel sind nach Erreichen einer vollen Stunde 15-Minuten-Schritte kein Problem.

Auch wenn die Pferde gründlich angeweidet wurden, ist der tägliche Weidegang nicht für jedes Tier garantiert oder gesundheitlich vertretbar.


Mögliche Folgen des falschen Anweidens


Häufiger auftretende Folgen des falschen oder zu schnellen Anweidens sind neben Koliken und Durchfall auch Hufreheschübe. Hufrehe ist für Pferdebesitzer eine der schlimmsten Diagnosen, da es sich um eine für das Pferd sehr schmerzhafte Erkrankung handelt. Obwohl diese Krankheit noch nicht vollständig erforscht ist, geht man davon aus, dass der hohe Fruktangehalt in Gräsern ein wesentlicher Auslöser eines erneuten Schubes beziehungsweise einer Neuerkrankung ist. Koliken können in allen möglichen Ausprägungen auftreten, also von Verstopfungs- über Krampfkoliken bis hin zu Darmverlagerungen durch Aufgasungen. Koliken, Durchfall und anderen Verdauungsproblemen kann durch eine Reduktion der (An-)Weidezeit entgegengewirkt werden.


Das Futter des Pferdes erfährt im Frühjahr eine enorme Umstellung. Vorsicht ist hier besser als Nachsicht.

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